Grundsätzlich sind Urteile mit einem Streitwert über 1.250 Euro nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar (§ 708 ZPO). Das bedeutet, dass nicht ohne Weiteres vollstreckt werden kann, sondern zuvor Sicherheit geleistet werden muss, entweder durch Bankbürgschaft oder durch Hinterlegung eines Barbetrags bei der Hinterlegungsstelle des zuständigen Amtsgerichts. Hintergrund der Anordnung der Sicherheitsleistung ist, dass derjenige, gegen den die Zwangsvollstreckung betrieben werden soll, für den Fall abgesichert ist, dass ein übergeordnetes Gericht anders entscheidet und ein durch die Vollstreckung entstandener Schaden dann wieder „reguliert“ werden kann.
Muss auf die Vollstreckung verzichtet werden, wenn keine Sicherheit geleistet werden kann?
Was aber, wenn der Gläubiger nicht in der Lage ist, die angeordnete Sicherheit zu leisten? Muss er dann die Rechtskraft abwarten, was im Falle der Durchführung des Berufungs- oder Revisionsverfahrens mehrere Jahre dauern kann?
Nein, dem Gläubiger, der die Rechtskraft nicht abwarten kann, etwa weil er befürchten muss, dass sich der Schuldner z. B. in die Insolvenz flüchtet, besteht die Möglichkeit der Sicherungsvollstreckung nach § 720a ZPO. In diesem Fall wird die Forderung nur für den Gläubiger gesichert. Eine Verwertung findet nicht statt. Der Gläubiger erwirbt im Rahmen der Sicherungsvollstreckung ein Pfandrecht an dem „gesicherten“ Gegenstand und kann sich aus dem belasteten Gegenstand erst nach Leistung der Sicherheit oder nach Eintritt der formellen Rechtskraft des Titels befriedigen.
Ausnahme:
Ausnahmsweise sind Verwertungsmaßnahmen möglich, wenn ansonsten die Gefahr einer erheblichen Wertminderung (z. B. bei Wertpapieren) oder unverhältnismäßig hoher Kosten für die Aufbewahrung einer Sache (laufende Miete von Unterstellbehältnissen) drohen. In diesen Fällen kann dann das Vollstreckungsgericht auf Antrag anordnen, dass die Sache versteigert und der Erlös hinterlegt wird.
Voraussetzungen der Sicherungsvollstreckung nach § 720a ZPO
Zur Einleitung der Sicherungsvollstreckung bedarf es – natürlich – eines Titels, der Klausel und des Zustellungsnachweises. Zu beachten ist jedoch die besondere Wartefrist des § 750 Abs. 3 ZPO: Die Sicherungsvollstreckung darf erst begonnen werden, wenn Titel und Vollstreckungsklausel mindestens zwei Wochen vorher zugestellt worden sind. Mit dieser „Vollstreckungsankündigung“ soll dem Schuldner die Möglichkeit eingeräumt werden, die Sicherungsvollstreckung – durch Zahlung oder Leistung einer eigenen Sicherheit – zu verhindern.
Welche Möglichkeiten der Sicherungsvollstreckung gibt es?
1. Sicherungsvollstreckung in bewegliches (Sach-)Vermögen
Zur Durchführung der Sicherungsvollstreckung in bewegliches Vermögen (= Sachpfändung), beauftragt der Gläubiger, häufig über die Verteilerstelle des Vollstreckungsgerichts, einen Gerichtsvollzieher mit der Ermittlung und Pfändung pfändbarer Vermögensgegenstände des Schuldners. Der Auftrag muss ausdrücklich auf die Pfändung beschränkt sein und darf nicht auf die Verwertung gerichtet sein. Der Gerichtsvollzieher begibt sich dann zum Wohn- oder Geschäftssitz des Schuldners und nimmt dort die Pfändung vor.
Dies geschieht in der Regel durch die Anbringung eines Pfandsiegels; das Geld wird von ihm in Verwahrung genommen und hinterlegt. Er erstellt ein Pfändungsprotokoll, in dem die gepfändeten Gegenstände genau aufgeführt sind. Nach der Pfändung im Rahmen der Sicherungsvollstreckung verbleiben die gepfändeten Gegenstände grundsätzlich beim Schuldner. Die eigentliche Verwertung erfolgt erst im weiteren Verlauf der Zwangsvollstreckung, z. B. wenn der Gläubiger einen weiteren Antrag auf Zwangsvollstreckung stellt und das Gericht die Verwertung anordnet (nach nachträglicher Sicherheitsleistung oder entsprechender Rechtskraft bzw. Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils).
Im Rahmen der Sachpfändung wird der Schuldner (erneut) über die Möglichkeit zur Abwendung (z. B. durch Zahlung der offenen Forderung) informiert.
2. Sicherungsvollstreckung in Forderungen
Anders als bei der „normalen“ Forderungspfändung wird nach § 720a ZPO kein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beantragt, sondern nur ein isolierter Pfändungsbeschluss. Denn der Überweisungsbeschluss erlaubt bekanntlich die Einziehung zur Überweisung der Forderung, was bei der Sicherungsvollstreckung gerade nicht möglich ist. Der Drittschuldner hat die „gesicherten“ Beträge (das sind die jeweils pfändbaren Beträge) entsprechend zu hinterlegen, damit eben nur die Absicherung, nicht aber die Verwertung erfolgt.
3. Sicherungsvollstreckung in unbewegliches Vermögen
Bei unbeweglichem Vermögen, wie Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten, erfolgt die Sicherungsvollstreckung nach § 702a ZPO durch die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek in das Grundbuch. Die Zwangssicherungshypothek ist – wie der Name schon vermuten lässt – nur ein Sicherungsmittel und damit ebenfalls nicht auf Verwertung ausgerichtet, wenngleich später aus dieser Sicherungshypothek die Zwangsversteigerung zur Befriedigung der offenen Forderung eingeleitet werden kann.
Die Zwangssicherungshypothek wird auf Antrag des Gläubigers beim zuständigen Vollstreckungsgericht eingetragen. Voraussetzung neben Titel, Klausel Zustellung (inkl. Wartefrist) ist insbesondere die Information über das betreffende Grundstück. Die Eintragung der Sicherungshypothek kann allerdings nur erfolgen, wenn die Forderung des Gläubigers mindestens 750,01 Euro (inklusive Nebenforderungen wie Kosten, aber ohne Zinsen, § 866 ZPO) beträgt.
Das Gericht prüft den Antrag und erlässt einen Beschluss über die Eintragung der Zwangssicherungshypothek. Dieser Beschluss wird dem Grundbuchamt zur Eintragung übermittelt, wodurch eine Belastung des Grundstücks zugunsten des Gläubigers entsteht („dingliches Recht“). So kann z. B. kein Verkauf am Schuldner vorbei erfolgen und auch eine Zwangsversteigerung durch einen anderen Gläubiger bleibt dem Gläubiger der Zwangssicherungshypothek nicht verborgen.
4. Weitere (vorläufige) Maßnahmen in der Sicherungsvollstreckung
Vielfach unbekannt oder unbeachtet bleibt die Tatsache, dass die Abnahme der Vermögensauskunft durchaus auch im Rahmen der Sicherungsvollstreckung möglich ist. Denn die Abgabe der Vermögensauskunft beinhaltet keine Vermögensverschiebung vom Schuldner zum Gläubiger und somit auch keine Verwertung. Sie dient lediglich der Sicherung (bzw. Aufdeckung) etwaiger Vermögenswerte und stellt insofern nur die Vorbereitung der (Sicherungs-) Vollstreckung dar. Der Schuldner ist daher auch im Falle der Anordnung einer Sicherheitsleistung zur Abgabe der Vermögensauskunft verpflichtet, selbst wenn die Sicherheitsleitung vom Gläubiger nicht erbracht wurde (und keine formelle Rechtskraft eingetreten ist).
Darüber hinaus ist ein vorläufiges Zahlungsverbot (auch: Vorpfändung) auch dann möglich, wenn die Vollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung angeordnet wird. Denn es dient ebenfalls der Sicherung des Anspruchs und wird in der Regel einem Pfändungsbeschluss vorgeschaltet, um eine Rangsicherung zu erreichen. Sie kann daher ohne Sicherheitsleistung und ohne vorherige Zustellung von Titel und Klausel (nebst Wartefrist) erfolgen. Die Zustellung des Titels muss aber auch in diesem Fall zwei Wochen vor Beginn der eigentlichen Vollstreckung erfolgen; ein etwaiger Pfändungsbeschluss muss – zur Sicherung des durch das vorläufige Zahlungsverbot erworbenen Ranges – binnen Monatsfrist ab Zustellung der Vorpfändung zugestellt werden. Das kann zeitlich eng werden, sodass die Gefahr besteht, dass die Wirkung des vorläufigen Zahlungsverbotes durch Fristversäumnis „verpufft“. Aber: Ein solches vorläufiges Zahlungsverbot (insbesondere, wenn es auf Auszahlungen von Bankkonten gerichtet ist) kann taktisch sinnvoll sein, weil es den Schuldner möglicherweise dazu bewegt, seinerseits Sicherheit zu leisten, um die Vollstreckung abzuwenden.
Fazit
Die Sicherungsvollstreckung ermöglicht es dem Gläubiger, seine Forderung zu sichern, wenn ein Urteil noch nicht rechtskräftig und deshalb mit Beschränkungen einer Sicherheitsleistung belegt ist, der Gläubiger diese aber nicht erbringen kann oder will. Neben den allgemein bekannten Möglichkeiten der Sicherungsvollstreckung kann der Antrag auf Abgabe der Vermögensauskunft, aber auch ein vorläufiges Zahlungsverbot ein probates Mittel sein, den Schuldner zur Zahlung oder seinerseits zur Sicherheitsleistung (zur Abwendung der drohenden Sicherungsvollstreckung) zu bewegen.
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Carmen Wolf ist gelernte Rechtsanwaltsfachangestellte mit Weiterbildung zur Rechtswirtin und zur Kanzleimanagerin. Bei der Koblenzer Rechtsanwaltskanzlei FROMM ist Sie als Büroleiterin sowie Ausbilderin für Rechtsanwaltsfachangestellte tätig und dementsprechend mit allen Bereichen der Kanzleipraxis betraut.