Der Titel liegt vor, Zahlungen des Schuldners erfolgen nicht freiwillig, sodass im Auftrag der Mandantin die Zwangsvollstreckung ansteht. Die Mandantin wünscht sich eine zügige Verwirklichung ihrer Forderung – sie ist in der Dispositionsmaxime und entscheidet einseitig über die Durchführung des Verfahrens durch Antrag. Wie es letztlich geht, weiß sie selbst nicht; dafür hat sie ja ihren Anwalt! Aber die richtige Entscheidung ist auch aus Sicht des Vertreters nicht immer einfach, denn leider kann niemand in die Zukunft sehen und der Rechtsanwalt hat keinen Zugriff auf eine Hellseher-Hotline.
Wie geht man also am besten vor?
1. Vermögenswerte und/oder Forderungen sind bekannt
Relativ unspektakulär ist das einzuleitende Vollstreckungsverfahren, wenn Kenntnisse über Vermögenswerte oder Forderungen vorliegen:
Gezielte Sachpfändung:
Hat der Schuldner z. B. teure Gemälde oder andere teure Gegenstände, hohe Vermögenswerte oder stets viel Bargeld im Haus, bietet sich die Gerichtsvollziehervollstreckung (= Sachpfändung) an. Titel und Klausel sind ausreichend; eine noch fehlende Zustellung kann vor Beginn der Vollstreckung durch den Gerichtsvollzieher erfolgen.
Hinweis
Beachten Sie aber auf jeden Fall den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: Wegen einer Forderung von 500 Euro sollten Sie nicht den Porsche des Schuldners pfänden!
Dabei müssen Sie die Beitreibung der geschuldeten Leistung als angestrebten Erfolg mit dem durch die Pfändung verursachten Schaden vergleichen.
Gezielte Forderungspfändung:
Sind Forderungen wie Arbeitslohn, Versicherungen oder Bankguthaben bekannt, ist die Forderungspfändung mithilfe des Vollstreckungsgerichts zu betreiben. Diese ist allerdings nur möglich, wenn der Titel mit Klausel bereits zugestellt wurde. Bestehende Forderungen des Schuldners können dann durch Beschluss gegen einen anderen Gläubiger gepfändet werden. Die „schnelle“ Forderungspfändung bei bekannten Forderungen sichert den Rang einer werthaltigen Forderung; ggf. ist ein vorläufiges Zahlungsverbot („Vorpfändung“) vorzuschalten, um nicht einem anderen Gläubiger „den Vortritt“ zu lassen.
Gerade für Unternehmen auf Schuldnerseite ist die Kontopfändung ein probates Mittel, um zügig an die Forderung zu gelangen: Die Bankverbindung ergibt sich in der Regel aus dem Geschäftspapier – P-Konten werden nur von Privatpersonen geführt. Und wenn das Geschäftskonto „gesperrt“ ist (oft genügt ein vorläufiges Zahlungsverbot), folgt in der Regel eine rasche Kontaktaufnahme des Schuldners mit dem Gläubigervertreter, damit die Geschäfte wieder aufgenommen werden können.
Gezielte Immobiliarvollstreckung:
Liegen Kenntnisse über Grund- oder Wohneigentum vor, bietet sich die Immobiliarvollstreckung in ihren Facetten (Zwangsversteigerung, Zwangsverwaltung, ggf. Absicherung durch Zwangshypothek) an. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Titel – der in vollstreckbarer Ausfertigung, also mit Klausel versehen ist – zuvor zugestellt sein muss. Ggf. sind Mindestforderungshöhen zu beachten (vgl. z.B. § 866 ZPO).
2. Vermögenswerte und/oder Forderungen sind unbekannt
So weit, so gut. Aber oft kennen die Gläubiger ihre Schuldner nicht oder nicht gut und wissen nicht, ob und wo etwas zu holen ist. Was dann?
Hier gibt es zwei Möglichkeiten: die sofortige Abnahme der Vermögensauskunft oder die Sachpfändung „ins Blaue hinein“. Diese Alternativen sollten mit der Mandantschaft besprochen werden, insbesondere um die Kosten eines solchen Verfahrens zu kommunizieren.
Unmittelbare Abnahme der Vermögensauskunft:
Seit 2013 ist die Abnahme der Vermögensauskunft ohne vorherigen (fruchtlosen) Pfändungsversuch möglich. Bis dahin war es erforderlich, den kostenbelasteten Weg über die Vollstreckung (oft noch mit einer Durchsuchungsanordnung) zu gehen, um dann mit der sogenannten Pfandlosigkeitsbescheinigung die Vermögensauskunft abnehmen zu können. Erfolgversprechende Vollstreckungsmaßnahmen sind aber nicht immer Gerichtsvollziehervollstreckungen, sondern oft die Pfändung des Arbeitseinkommens oder die Vollstreckung in Forderungen des Bankkontos. Diese Maßnahmen konnten aber in einer Vielzahl von Fällen nicht unmittelbar ergriffen werden, da Arbeitgeber und Bankverbindungen nicht von vornherein bekannt waren. Die Vorschriften der Vergangenheit führten dazu, dass viele Vollstreckungsaufträge unnötig waren und nur dazu dienten, die Grundlage für die Abnahme der Vermögensauskunft zu schaffen. Das ist zum Glück seit mehr als zehn Jahren anders: Liegt ein Vollstreckungstitel vor, kann ohne vorherigen Vollstreckungsversuch die Vermögensauskunft abgenommen werden.
Und dieser Weg ist durchaus sinnvoll: Die Abnahme der Vermögensauskunft kann einen Pfändungsvorrang bei Forderungen erreichen, weil der Gläubiger Informationen erhält, die ihm die sofortige Möglichkeit der Forderungspfändung – sinnvollerweise mit vorgeschobenem vorläufigen Zahlungsverbot – geben. Der unmittelbare Weg ist schneller, als in Kombination mit einem Vollstreckungsauftrag, sodass insoweit möglicherweise ein Rangvorteil erreicht werden kann. Darüber hinaus erhält man mit Vorlage der Vermögensauskunft die Informationen über die Vermögensverhältnisse, die eine sinnvolle Entscheidungsgrundlage dafür liefern, ob und welche weitere Vollstreckungsmaßnahmen erfolgversprechend erscheinen. Nicht zu unterschätzen ist auch der Überraschungseffekt, wenn der Schuldner ohne vorherige Vollstreckung ins Schuldnerregister eingetragen werden soll. Dies kann den einen oder anderen (noch nicht abgestumpften) Schuldner zu einem möglichen Einlenken, z. B. zu Teilzahlungen, bewegen.
Ergibt die Vermögensauskunft, dass beim Schuldner überhaupt nichts zu holen ist, bleiben dem Gläubiger zumindest die Kosten der Sachpfändung erspart.
Sofern der Schuldner die Vermögensauskunft bereits innerhalb der zweijährigen Schonfrist abgegeben hat, erhält man zumindest davon Kenntnis und kann dann die Vermögensauskunft anfordern, was allerdings nur Sinn macht, wenn diese nicht allzu weit in der Vergangenheit liegt, also nicht veraltet ist: Wenn sich aus einem veralteten Vermögensverzeichnis Pfändungsmöglichkeiten ergeben, kann davon ausgegangen werden, dass der Gläubiger, der die Vermögensauskunft beantragt, darauf bereits zugegriffen hat.
Sachpfändung ins Blaue hinein:
Auch die Sachpfändung „ins Blaue hinein“ kann ein erfolgsversprechender Einstieg in die Zwangsvollstreckung sein. Dies hängt auch von der Persönlichkeit des Schuldners ab. Der bereits abgestumpfte Schuldner, von dem man weiß, dass er sich der Vollstreckung vielleicht immer wieder durch Umzügeentziehtoder der allgemein als unzuverlässig bekannt ist, wird sich hiervon nicht beeindrucken lassen. Der sonst zuverlässige und sozial angesehene Schuldner, der ein Problem damit hat, dass die Nachbarn den Gerichtsvollzieher bei ihm sehen, wird sich davon eventuell beeindrucken lassen.
Der Vorteil unmittelbaren Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsvollzieher (Sachpfändung) kann darin liegen, dass der sofort vollstreckende Gläubiger gegenüber anderen Gläubigern, die möglicherweise zunächst die Abgabe der Vermögensauskunft beantragen, besser gestellt ist, da ihm die unmittelbar vorhandenen pfändbaren Gegenstände nur zu seiner eigenen Befriedigung dienen. Zudem wird der Schuldner (insbesondere, wenn der Titel noch nicht zugestellt ist) von der Vollstreckung überrascht und kann nicht noch etwaige Vermögenswerte „beiseite schaffen“. Im Übrigen erfolgt die Sachpfändung in der Regel recht zügig. Die Möglichkeit der nachträglichen Abnahme der Vermögensauskunft geht nicht verloren, sondern bleibt bestehen. Bei einer Pfändung „ins Blaue hinein“ ist ein kombinierter Antrag – Sachpfändung mit Abnahme der Vermögensauskunft bei fruchtloser Pfändung – stets sinnvoll, um Informationen über weitere mögliche pfändbare Sachen oder Forderungen zu erhalten. In diesem Zusammenhang ist der Gläubiger allerdings besonders darauf hinzuweisen, dass kombinierte Anträge – je nach Verlauf – auch zusätzliche Kosten verursachen.
Fazit: Die Wahl der passenden Vollstreckungsmaßnahmen erfordert sorgfältiges Abwägen verschiedener Faktoren
Gläubiger und Gläubigervertreter stehen bei der Vollstreckung – die nach „Schema F“ nie vielversprechend ist – stets vor einer besonderen Herausforderung. Die Wahl des optimalen Vollstreckungsweges ist zweifelsohne eine anspruchsvolle Aufgabe, die sorgfältige Überlegungen (und bestenfalls auch Informationen über den Schuldner) erfordert. Die Realisierung der Forderung steht im Fokus und das Abwägen der Vor- und Nachteile einzelner Maßnahmen ist für eine fundierte Entscheidungsfindung mehr als sinnvoll.
Gläubiger und Gläubigervertreter stehen bei der Vollstreckung – die nach „Schema F“ nie vielversprechend ist – stets vor einer besonderen Herausforderung. Die Wahl des optimalen Vollstreckungsweges ist zweifelsohne eine anspruchsvolle Aufgabe, die sorgfältige Überlegungen (und bestenfalls auch Informationen über den Schuldner) erfordert. Die Realisierung der Forderung steht im Fokus und das Abwägen der Vor- und Nachteile einzelner Maßnahmen ist für eine fundierte Entscheidungsfindung mehr als sinnvoll.
Bild: Adobe Stock/©RedVector
Lotte Thiel war Fachanwältin für Familienrecht und Mediatorin. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte waren das Familienrecht und das anwaltliche Gebührenrecht. Sie veröffentlichte im Deutschen Anwaltverlag zahlreiche Werke zum RVG, z.B. Fälle und Lösungen in Familiensachen, ABC der Kostenerstattung etc.