Es ist kein ungewöhnlicher Verlauf: Die Forderung ist tituliert, die Zwangsvollstreckung läuft, sie wird aber unterbrochen, weil der Schuldner „in der Insolvenz“ ist, also er das Insolvenzverfahren eingeleitet hat, welches dann auch eröffnet wurde. Oder so weit ist es gar nicht erst gekommen und die Information über das laufende Insolvenzverfahren verhindert bereits die Titulierung: Als letzter Akt wird eventuell noch die Forderung zur Insolvenztabelle für den Gläubiger angemeldet, sofern dieser dies nicht selbst tut. Unter Umständen wird die Anmeldung jedoch auch unterlassen, da angesichts der geringen Pfändungschancen aufgrund der Insolvenz des Schuldners davon ausgegangen wird, dass sich das nicht lohnt. Die Akte wird geschlossen.
Ein Fehler – wie nachfolgende Ausführungen aufzeigen sollen.
Zwar ist es in der Tat so, dass Gläubiger ihre Forderungen nicht mehr geltend machen können, wenn im Rahmen eines Insolvenzverfahrens Restschuldbefreiung erteilt wurde – sogar dann, wenn ihnen bei der Verteilung gar keine oder nur eine minimale Quote zugesprochen wurde. Das gilt auch und insbesondere für Forderungen, die erst gar nicht zur Tabelle angemeldet worden sind.
Aber zum einen ist die Art der Forderung im Vorfeld genau zu prüfen, zum anderen ist das laufende Insolvenzverfahren bis zu dessen Abschluss im Auge zu behalten.
Das Vorgehen, wenn die zugrunde liegende Forderung aus einem Delikt resultiert
Entstand die Forderung durch vorsätzliches oder fahrlässiges, d. h. deliktisches Handeln (entsprechend dem Feststellungsantrag), kann die Empfehlung des Anwaltes oder der Anwältin nur lauten, die Anmeldung zur Insolvenztabelle durchzuführen. Bei der Anmeldung selbst muss zwingend darauf geachtet werden, dass die Anmeldung mit dem Zusatz „aus vorsätzlich unerlaubter Handlung“ erfolgt, anderenfalls liegt seitens des Anwalts eine Pflichtverletzung vor. Denn gemäß § 302 InsO sind Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung von der Erteilung der Restschuldbefreiung nicht umfasst. Diese Forderungen – das können Forderungen aus vorsätzlicher Sachbeschädigung oder Körperverletzung, aber auch aus Eingehungsbetrug sein – bleiben bestehen, allerdings nur, wenn sie angemeldet und als deliktische Forderungen in der Tabelle festgestellt wurden.
Im Übrigen gilt dies auch für rückständigen gesetzlichen Unterhalt, der vorsätzlich pflichtwidrig nicht geleistet wurde.
Hinweis:
Liegt ein Titel vor, aus dem durch einen entsprechenden Feststellungsantrag bereits hervorgeht, dass die Forderung durch deliktisches Handeln entstanden ist, erleichtert dies die Feststellung der deliktischen Natur der Forderung ungemein.
Wird die Forderung angemeldet, hat der Schuldner die Möglichkeit, fristgebunden Widerspruch einzulegen. Dies kann sowohl gegen die Höhe als auch gegen den Grund der Forderung erfolgen, beispielsweise wegen vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung.
Hinweis:
Der Insolvenzverwalter hingegen kann den Rechtsgrund der deliktischen Forderung nach BGH-Rechtsprechung nicht bestreiten.
Ein Widerspruch ist eher zu erwarten, wenn die Forderung noch nicht als deliktische Forderung tituliert ist. Das ist beispielsweise der Fall, wenn die Forderung noch nicht tituliert ist oder wenn die Forderung zwar durch einen Vollstreckungsbescheid tituliert wurde, der Umstand, dass es sich um eine deliktische Forderung handelt (was gerade nicht im Wege des Mahnverfahrens zu titulieren ist), aber erst zur Tabelle angemeldet wird.
Vorgehen, wenn Schuldner keinen Widerspruch einlegt
Legt der Schuldner keinen Widerspruch gegen die Anmeldung als deliktische Forderung zur Tabelle ein oder nimmt er einen zunächst eingelegten Widerspruch zurück, so hat das zur Folge, dass die Forderung nicht von der Restschuldbefreiung erfasst wird. Sie bleibt somit bestehen und ist auch nach Beendigung des Insolvenzverfahrens vollstreckbar. Nach Ablauf des Insolvenzverfahrens kann (und sollte) der Gläubiger beim Insolvenzgericht eine vollstreckbare Ausfertigung des Tabellenauszugs anfordern. Diese hat dann die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils.
Vorgehen, wenn Schuldner Widerspruch einlegt
a) Der deliktische Rechtsgrund ergibt sich bereits aus dem Tenor
Legt der Schuldner Widerspruch gegen die Anmeldung einer Forderung ein, deren deliktischer Rechtsgrund sich bereits aus dem Tenor ergibt, hat er die Aufgabe, den Widerspruch binnen Monatsfrist ab Widerspruchseinlegung zu verfolgen. Dies geschieht in der Regel schriftlich, in seltenen Fällen persönlich. Das Gericht gibt dem Widerspruch dann statt oder nicht statt.
Verfolgt der Schuldner den Widerspruch nicht, so gilt dieser als nicht erhoben. Dies hat zur Folge, dass auch hier nach Abschluss des Verfahrens eine vollstreckbare Ausfertigung des Tabellenauszuges beantragt werden kann, da die Forderung von der Restschuldbefreiung nicht erfasst wird.
b) Der deliktische Rechtsgrund ergibt sich aus den Entscheidungsgründen des Titels
Wenn sich das deliktische Handeln nicht aus dem Tenor, sondern lediglich aus den Entscheidungsgründen des Titels ergibt, ist der Gläubiger bei Widerspruch des Schuldners dazu verpflichtet, den Klageweg zur Feststellung einzuschlagen.
c) Es existiert kein Titel
Wurde eine nicht titulierte Forderung zur Tabelle angemeldet und der Rechtsgrund des deliktischen Handelns durch den Schuldner mittels Widerspruch bestritten, bleibt dem Gläubiger insoweit ebenfalls nur der Klageweg.
Das Insolvenzverfahren wird nicht „durchgezogen“
Ein Insolvenzverfahren endet grundsätzlich mit Zweckerreichung, das heißt, wenn die Gläubiger aus der Insolvenzmasse (dem pfändbaren Schuldnervermögen) befriedigt wurden. In der Praxis kommt es jedoch auch vor, dass ein Insolvenzverfahren vorzeitig aufgehoben oder eingestellt wird. Dies kann nicht nur bei Massearmut oder Masseunzulänglichkeit der Fall sein, sondern auch bei Wegfall des Eröffnungsgrundes oder, eher selten, bei irrtümlicher Annahme eines Eröffnungsgrundes. Damit „leben” die Ansprüche der Gläubiger gemäß § 201 Abs. 1 InsO jedoch wieder auf, sodass die nicht oder nur teilweise befriedigten Gläubiger ihre (restlichen) Forderungen wieder uneingeschränkt beim Schuldner geltend machen können. Hierzu erhalten die Gläubiger, die ihre Forderung zur Tabelle angemeldet hatten, auf Antrag eine vollstreckbare Ausfertigung des Tabellenauszugs, der an die Stelle des Ursprungstitels tritt.
Hinweis:
Zwar wird der Ursprungstitel durch den Tabellenauszug „ersetzt“, aber er ist noch nicht ganz „vom Tisch“: Da die Zinsen im Tabellenauszug nur bis zur Eröffnung des Verfahrens tituliert sind, kann der Gläubiger durch einen entsprechenden Auftrag an den Gerichtsvollzieher oder einen Antrag bei Gericht unter Beifügung beider Titel auch die Zinsen ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens vollstrecken.
Aber auch Gläubiger, die nicht am Insolvenzverfahren teilgenommen haben, können nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens auf dem regulären Weg versuchen, ihre Forderung zu realisieren, sei es durch Titulierung (sofern zwischenzeitlich nicht verjährt) oder Vollstreckung aus einem vorliegenden Titel.
Versagung der Restschuldbefreiung
Das Insolvenzverfahren bietet dem Schuldner die Möglichkeit der Restschuldbefreiung, was bedeutet, dass er nach Abschluss des Insolvenzverfahrens von verbleibenden Schulden befreit wird. Die Restschuldbefreiung ist jedoch nicht bedingungslos, sondern an bestimmte Verhaltensweisen des Schuldners geknüpft. Bestimmte Forderungen, wie Steuerschulden oder Schulden aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen (s. o.), können von der Restschuldbefreiung ausgeschlossen sein.
Falls der Schuldner seine Obliegenheitsverpflichtungen während der „Wohlverhaltensperiode“ verletzt und ihm die Restschuldbefreiung versagt wird, bleiben die Forderungen der Gläubiger bestehen.
Der Schuldner hat u. a. folgende Obliegenheitsverpflichtungen zu erfüllen:
- Hat der Schuldner keine Arbeit, so muss er sich um solche intensiv bemühen. Der Schuldner muss einer angemessenen Arbeit nachgehen, darf zumutbare Arbeit nicht ablehnen. Lohnabrechnungen müssen in Kopie vorgelegt werden.
- Erbt der Schuldner etwas , so muss er die Hälfte davon an den Treuhänder abgeben (nicht das gesamte ererbte Vermögen).
- Der Schuldner muss seinem Treuhänder jeden Wohnungs- und Arbeitsplatzwechsel mitteilen und der Schuldner darf keinen Gläubiger bevorzugen.
Um an die entsprechenden Informationen zu gelangen, kann der Gläubiger (der seine Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet hat) Einsicht in die Berichte des Insolvenzverwalters nehmen.
Hinweis:
Der Insolvenzverwalter hat grundsätzlich nicht das eigene Recht, Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung zu stellen, es sei denn, seine Vergütung wird nicht bezahlt. Das Antragsrecht liegt beim Gläubiger. Der Insolvenzverwalter darf jedoch in seinem Bericht einen Hinweis geben, wenn Gründe für die Versagung der Restschuldbefreiung vorliegen.
Fazit: Möglichkeiten bei Insolvenz prüfen
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner bedeutet nicht zugleich den vollständigen Verlust der Forderung für den Gläubiger. Drei Themen – die Deliktsforderung, die Versagung der Restschuldbefreiung und die vorzeitige Aufhebung/Einstellung des Verfahrens – können hier Begründungen liefern, die die „totgeglaubte“ Forderung wieder aufleben lassen können. Genaues Hinsehen – z. B. das Anfordern der entsprechenden Berichte des Insolvenzverwalters – kann sich für den Gläubiger auszahlen.