Die Lohnpfändung ist eine häufig genutzte Vollstreckungsmaßnahme, um die Forderung des Gläubigers zu realisieren, wenn der Schuldner auf den erwirkten Titel hin nicht „freiwillig“ zahlt. Wenn bekannt ist oder aus einem etwaigen Vermögensverzeichnis hervorgeht, dass der Schuldner einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nachgeht, wird dieser Weg häufig gewählt, da er „regelmäßigen und ratierlichen“ Abtrag der Forderung verspricht.
Aber nicht jede:r Arbeitnehmer:in verdient mit der Haupterwerbstätigkeit ausreichend Geld, um „über die Runden zu kommen“ oder auch, um den eigenen Lebensstil oder ein außergewöhnliches Hobby zu finanzieren. Und damit gehen auch die Pfändungschancen gegen Null: Ist das Gehalt niedrig – aus welchen Gründen auch immer, sei es, weil der Hauptberuf nicht in Vollzeit ausgeübt wird, weil der Verdienst als solcher gering ist – liegen die Einkünfte innerhalb der Pfändungsfreigrenzen, sodass eine Auszahlung durch den Arbeitgeber (= Drittschuldner) nicht erfolgen kann und darf.
Oft gibt es mehr als nur einen Job!
Es gibt aber auch Lichtblicke: Heute ist es fast schon „normal“, mehr als nur einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, z. B. mit einem Zweitjob auf Minijob-Basis; etwa um das Haushaltseinkommen aufzubessern oder ein vielleicht kostspieliges Hobby zu finanzieren. Wiederum andere erhalten – z. B. weil sie im Niedriglohnsegment beschäftigt sind und ihren Lebensunterhalt damit nicht selbst finanzieren können, Aufstockungsleistungen von Behörden. Möglicherweise arbeitet der Schuldner auch „nur“ in Teilzeit, weil er seinen Lebensunterhalt aus anderen Einkommensquellen bestreitet. Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Schuldner tatsächlich über ein höheres monatliches Nettoeinkommen verfügt, als sich aus der jeweils isolierten Betrachtung der „Hauptbeschäftigung“ ergibt.
Bei der Berechnung der Pfändungsfreigrenzen für das Arbeitseinkommen (§ 850c ZPO) wird jedoch regelmäßig davon ausgegangen, dass der Schuldner nur eine Einkunftsquelle hat. Und das hat letztlich negative Folgen für den Gläubiger.
Ungerechtigkeit durch doppelte Pfändungsfreigrenzen und Abhilfe
Werden bei einem Schuldner beispielsweise zwei Einkommen gepfändet, so muss jeder Arbeitgeber die jeweils geltenden Pfändungsfreigrenzen beachten. Die Folge: Der Schuldner erhält den pfändungsfreien Betrag „mehrfach“, im vorliegenden Fall also zweifach, und ist bei einer Pfändung besser gestellt als ein Schuldner, der den gleichen Betrag aus nur einer Einkommensquelle bezieht.
Dass dies nicht gerecht ist, liegt auf der Hand. Das hat natürlich auch der Gesetzgeber so gesehen und in Form des § 850e Nr. 2 ZPO eine Regelung zur Gleichstellung gefunden: Danach kann beim Vollstreckungsgericht beantragt werden, dass beide Einkommen zusammengerechnet werden mit der Folge, dass insgesamt nur eine Pfändungsgrenze zu beachten ist.
Hinweis:
Nach § 850e Nr. 2 S. 2 ZPO ist der unpfändbare Grundbetrag grundsätzlich dem Arbeitseinkommen zu entnehmen, das die wesentliche Grundlage der Lebenshaltung des Schuldners bildet. Daraus folgt, dass in der Regel aus den Nebeneinkünften zu zahlen ist.
Vorteile durch Zusammenrechnung des Einkommens
Eine Zusammenrechnung der Einkommensquellen bewirkt, dass der Schuldner nur einen einzigen Pfändungsfreibetrag für seine gesamten Bezüge in Anspruch nehmen kann, was die Pfändungschancen des Gläubigers erhöht, weil der Freibetrag niedriger ist und damit der Pfändungsbetrag maximiert wird. Einkunftsquelle bedeutet, dass nicht nur Gehälter des Schuldners, sondern auch andere Einkünfte, wie etwa Mieteinnahmen oder Einkünfte aus selbstständiger Arbeit, berücksichtigt werden können. Voraussetzung ist allerdings eine klare Identifikation und Zuordnung der Einkünfte zum Schuldner. Außerdem müssen die betreffenden Einkünfte pfändbar sein.
Hierzu ein Beispiel:
Die verwitwete Schuldnerin ohne Unterhaltsverpflichtung arbeitet bei Arbeitgeberin A mit einem Nettoeinkommen von 1.300 Euro. Daneben erhält sie eine Witwenrente/Hinterbliebenenrente in Höhe von 440 Euro.
Beide Einkommensquellen, also sowohl das Arbeitseinkommen als auch die Witwenrente, sind grundsätzlich pfändbar. Werden beide Ansprüche gepfändet, muss jeder Drittschuldner – also die Arbeitgeberin und die Stelle, die die Witwenrente auszahlt – die Pfändungsgrenzen beachten und – da bei einer ledigen Person ohne Unterhaltsverpflichtung 1.409,99 Euro unpfändbar sind – das jeweilige Einkommen in voller Höhe an den Schuldner abführen. Der Gläubiger geht leer aus. Der Schuldnerin verbleiben somit die vollen Beträge, zusammen 1.740,00 Euro:
Dies ist ein ungerechtes, den Gläubiger benachteiligendes Ergebnis, da beide Einkünfte – so zusammengerechnet, wie sie der Schuldnerin letztlich zufließen – insgesamt zu einer Zahlungsverpflichtung führen würden.
Wird beim Vollstreckungsgericht beantragt, dass die beiden Einkommen zusammengerechnet werden, ergibt sich ein Nettoeinkommen von 1.300 Euro + 440 Euro = 1.740 Euro. Laut Pfändungstabelle sind von diesem Betrag 236,40 Euro pfändbar:
Antrag und Ablauf der Zusammenrechnung der Einkünfte
Die Zusammenrechnung der Einkünfte erfolgt gemäß § 850e ZPO auf Antrag des Gläubigers. Der Antrag kann zugleich mit dem Antrag auf Pfändung und Überweisung beider Einkommen, aber auch nachträglich gestellt werden. Ein nachträglicher Antrag auf Zusammenrechnung kann z. B. auch dann gestellt werden, wenn sich Erkenntnisse über ein zweites Einkommen bzw. eine zweite Einkunftsquelle erst nach Pfändung des ersten Einkommens ergeben.
Das Vollstreckungsgericht entscheidet dann, welcher Drittschuldner die pfändbaren Beträge an den Gläubiger zu überweisen hat (s. o.), wobei der Gläubiger auch insoweit einen entsprechenden Antrag stellen kann. Das ist insbesondere dann zu empfehlen, wenn die zweite Einkunftsquelle aus dem Ausland kommt, auf die man – sollten die Zahlungen nicht freiwillig erfolgen, was oft der Fall ist, da die deutschen Beschlüsse nicht ohne Weiteres akzeptiert werden – nicht ohne Schwierigkeiten zugreifen kann.
Im Übrigen gilt bei der Zusammenrechnung: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst!“ Selbst wenn Sie nachrangiger Schuldner sind, so werden Sie dann bevorzugt, wenn Sie den Antrag auf Zusammenrechnung vor den anderen Gläubigern stellen.
Fazit: Einkommen zusammenrechnen, um Pfändungschancen zu erhöhen
Der Antrag auf Zusammenrechnung mehrerer Einkünfte ist möglich, wenn die Einkünfte jeweils pfändbar sind und darüber hinaus eine klare Identifikation und Zuordnung der Einkünfte zum Schuldner nachgewiesen werden kann. Die Zusammenrechnung führt dann zu einer effektiven Pfändung und gewährleistet, dass der Schuldner für seine gesamten Bezüge nur einen einzigen Pfändungsfreibetrag beanspruchen kann. Dadurch werden die Pfändungschancen des Gläubigers deutlich erhöht.