Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) hat insbesondere für Verfahren der Vollstreckung und Vollziehung, der Zwangsverwaltung und Zwangsversteigerung „eigene“ Streitwertbestimmungen, die von den Bestimmungen, wie man sie vom Gerichtskostengesetz (GKG) oder der Zivilprozessordnung (ZPO) her kennt, abweichen.
Die Bestimmung des Streitwerts ist in auch in diesen Verfahren von Bedeutung, da sich insbesondere die Gebühren der Rechtsanwälte danach bemessen. Die Bestimmungen der §§ 25–27 RVG regeln dabei die jeweiligen Verfahren in der Vollstreckung, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung.
Zwangsvollstreckung und Zwangsvollziehung
Für Vollstreckungsverfahren, wie die Zwangsvollstreckung oder die Sicherungsvollziehung, ist § 25 RVG maßgeblich. Der Gegenstandswert wird danach mit dem Betrag bestimmt, der Gegenstand des Vollstreckungsverfahrens ist. Und das ist – anders als im Erkenntnisverfahren – gerade nicht nur die Hauptforderung, sondern die gesamte zu vollstreckende Forderung. Das bedeutet, dass auch Nebenforderungen, wie Zinsen oder Vollstreckungskosten, in die Berechnung des Gegenstandswertes mit einfließen.
Beispiel:
Die Anwältin beabsichtigt heute die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid. Tituliert sind:
Hauptforderung
5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz aus HF seit dem 03.05.2024
Kosten des Mahnverfahrens
5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz aus Kosten seit dem 07.08.2024
600,00 Euro
_______ Euro
127,50 Euro
_______ Euro
Um den Gegenstandswert des Vollstreckungsverfahrens korrekt auszurechnen, sind die Zinsen bis zum gestrigen Tag auszurechnen (rein theoretisch hätte der Schuldner heute noch Zeit, die Zahlung vorzunehmen) und der Summe aus Hauptforderung (600,00 Euro) und Kosten (127,50 Euro) hinzuzuaddieren.
Wird nicht in die volle Forderung gepfändet, sondern beschränkt sich die Pfändung auf einen bestimmten Gegenstand, der einen geringeren Wert hat, so ist der geringere Wert als Gegenstandswert maßgeblich.
Beispiel:
Die Anwältin betreibt die Zwangsvollstreckung aus einem Titel mit einer Hauptforderung von 15.000 Euro; es sind erhebliche Zinsen aufgelaufen und bereits Vollstreckungskosten ausgelöst worden, so dass die Gesamtforderung per heute 18.345,67 Euro beträgt.
Der Auftrag zur Vollstreckung hat die Pfändung des Wohnwagens des Schuldners zum Inhalt, der mit einem aktuellen Verkehrswert von 17.000 Euro bewertet wurde.
Der Streitwert beschränkt sich in diesem Fall auf den Verkehrswert des Wohnwagens, weil nur dieser gepfändet werden soll. Der Gegenstand, also der Wohnwagen, hat einen geringeren Wert, als die zu vollstreckende Gesamtforderung.
Bei der Vollstreckung in einen Herausgabeanspruch bestimmt sich der Wert nach dem Wert der herauszugebenden oder zu leistenden Sache. Hierbei ist zusätzlich zu beachten, dass der Gegenstandswert den Wert nicht übersteigen darf, mit dem der Herausgabe- oder Räumungsanspruch nach den für die Berechnung von Gerichtskosten maßgeblichen Vorschriften zu bewerten ist.
Wird die Vollstreckung in eine zu erwirkende Handlung, Duldung oder Unterlassung betrieben, so ist der Wert als Streitwert zu bestimmen, der den Wert für den Gläubiger dieses Verfahrens darstellt.
Geht es im Rahmen der Vollstreckung um die Abnahme der Vermögensauskunft (§ 802c der Zivilprozessordnung) oder um die Einholung von Auskünften Dritter über das Vermögen des Schuldners (§ 802l der Zivilprozessordnung) ist ebenfalls die Gesamtforderung (Hauptforderung zuzüglich Kosten zuzüglich Zinsen) anzusetzen; übersteigt der Wert die Wertgrenze von 2.000,00 Euro, sind 2.000,00 Euro als maximaler Gegenstandswert zu Grunde zu legen.
In Fällen, in denen kein bezifferbarer Betrag oder ein bezifferbarer Gegenstand vollstreckt wird, wie etwa der Durchsetzung von einstweiligen Verfügungen oder Arrestbefehlen, wird der Streitwert anhand des wirtschaftlichen Interesses des Gläubigers festgesetzt. Das bedeutet, dass der Wert des Begehrens – also der zu vollstreckende Anspruch – das wesentliche Kriterium für die Streitwertbemessung bleibt.
Zwangsversteigerung
In Zwangsversteigerungsverfahren gilt nach § 26 RVG eine spezifische Streitwertberechnung. Maßgeblich für den Streitwert ist hier der Verkehrswert der Immobilie, die versteigert werden soll. Der Verkehrswert wird in der Regel durch ein Gutachten festgesetzt, das im Rahmen des Verfahrens von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen erstellt wird. Die Festsetzung des Gegenstandswertes auf Grundlage des jeweiligen Gutachtens bildet damit die Grundlage, die auch für die Ermittlung der Anwaltsgebühren gilt.
Bei der Vertretung des Gläubigers ist auf das ihm insoweit zustehende Recht (Gesamtforderung, also Hauptforderung einschließlich Kosten und Zinsen) abzustellen, soweit das Recht den Verkehrswert nicht übersteigt.
Bei der Beteiligung eines Dritten – etwa demjenigen, der das Objekt zu ersteigern versucht – ist für die Berechnung der Anwaltsgebühren als Gegenstandswert das jeweils höchste Gebot entscheidend.
Zwangsverwaltung
Für Verfahren der Zwangsverwaltung sieht § 27 RVG eine abweichende Regelung vor. Der Streitwert richtet sich in diesen Fällen nicht nach dem Verkehrswert der Immobilie, denn diese steht nicht wirklich im Streit und soll auch nicht im Sinne eines Eigentumsübergangs verwertet werden.
Bei der Vertretung des Antragstellers richtet sich der Gegenstandswert nach dem Anspruch, der Grundlage der Durchführung des Verfahrens ist. Kosten und Zinsen sind dem Hauptanspruch hinzuzuaddieren (= Gesamtforderung). Bei Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen ist der Wert der Leistungen eines Jahres maßgebend.
Bei der Vertretung des Schuldners bestimmt sich der Gegenstandswert nach dem zusammengerechneten Wert aller Ansprüche, wegen derer das Verfahren beantragt ist, bei der Vertretung eines sonstigen Beteiligten ist der Wert nach billigem Ermessen zu bestimmen.
Fazit: Genaue Berechnung des Stteitwerts unerlässlich
Die Ermittlung des Streitwerts in den verschiedenen Vollstreckungsverfahren – Vollstreckung und Vollziehung, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung – ist durch spezifische Vorgaben im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) genau geregelt. Während bei der Vollstreckung die Gesamtforderung (Hauptforderung zuzüglich Kosten und Zinsen) oder das Interesse des Gläubigers entscheidend ist, kommt es bei der Zwangsversteigerung der Verkehrswert der Immobilie und bei der Zwangsverwaltung auf denn voraussichtlichen Reinertrag an.
Diese Unterscheidungen führen zu erheblichen Unterschieden bei den Gebühren für Anwältinnen und Anwälte, weshalb eine genaue Berechnung des Streitwerts in jedem Fall unerlässlich ist.


