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Lohnpfändung: Nichtberücksichtigung unterhaltsberechtigter Personen

Überweisungsbeschluss in das Gehalt des Schuldners wurde erfolgreich beantragt und zugestellt. Der Drittschuldner (= Arbeitgeber) ist der Aufforderung nach § 840 ZPO nachgekommen, hat die Forderung zwar anerkannt, eine Auszahlung erfolgt jedoch nicht, weil der auszuzahlende Nettolohn innerhalb der Pfändungsfreigrenzen liegt. Und das, obwohl der Schuldner gut situiert ist und das Gehalt nicht gerade an der Mindestlohngrenze „kratzt“.

Umstände, die zu höheren Pfändungsgrenzen führen

Woran liegt das? Regelmäßig sind es Unterhaltsverpflichtungen, die zu einem recht hohen Pfändungsfreibetrag führen, wie sich an der Tabelle des § 850c ZPO ablesen lässt. Denn bestehende Unterhaltsverpflichtungen des Schuldners beeinflussen die Höhe des pfändbaren Betrags und der Drittschuldner (in der Regel wird dies der Arbeitgeber sein) muss die Unterhaltsverpflichtungen bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens berücksichtigen, was einem Pfändungsschutz gleichkommt. Er dient der Sicherung des Lebensunterhalts des Schuldners und seiner Familienangehörigen.

Insofern handelt es sich bei den Pfändungsfreigrenzen um einen „Bedürftigenschutz“. Zu den zu schützenden „Bedürftigen“ gehören jedoch nur gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen, wie der gegenwärtige und frühere Ehegatte oder der gegenwärtige und frühere Lebenspartner (Lebenspartnerschaft) oder Verwandte in gerader Linie, z. B. Kinder. Diese Personen sind gemäß § 850c Abs. 2 ZPO bei der Ermittlung des pfändbaren Arbeitseinkommens des Schuldners privilegiert.

Umstände, die NICHT zu höheren Pfändungsgrenzen führen

Das bedeutet gleichzeitig, dass Zahlungen des Schuldners, die er einer (sonstigen) dritten Person freiwillig oder als vertraglich vereinbarten Unterhalt leistet, die Pfändungsfreigrenzen nicht erhöhen. Das bedeutet: Unterhaltszahlungen an nichteheliche Lebensgefährt:innen bleiben bei der Bestimmung des Pfändungsfreibetrags ebenso unberücksichtigt wie der Unterhalt von Kindern des Lebensgefährten oder des neuen Ehegatten, solange keine gesetzliche Unterhaltspflicht besteht. In diesen Fällen kann sich genaues Hinschauen bezahlt machen.

Darüber hinaus sind Unterhaltspflichten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Personen bei der Ermittlung des Pfändungsfreibetrages nur dann zu berücksichtigen, wenn tatsächlich Leistungen in Form von Natural- oder Barunterhalt erbracht werden oder zu erbringen sind. Denn auch wenn dem Grunde nach eine gesetzliche Unterhaltspflicht besteht, entfällt diese, wenn die an sich unterhaltsberechtigten Personen in der Lage sind, sich (ggf. auch teilweise) selbst zu unterhalten, z.B. durch eigenes Einkommen.

Möglichkeiten zur Herbeiführung der Gerechtigkeit

Genau für diese Fälle hat der Gesetzgeber mit § 850c Abs. 6 ZPO eine Regelung getroffen. Mit dieser Vorschrift wird dem Gläubiger die Möglichkeit eingeräumt, durch einen Antrag beim Vollstreckungsgericht feststellen zu lassen, dass eine gesetzlich unterhaltsberechtigte Person im konkreten Fall bei der Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens (ggf. auch nur teilweise) nicht berücksichtigt wird.

Hierzu ein Beispiel:

Die Gläubigerin hat den Arbeitslohn des Schuldners, der einen Netto-Arbeitslohn von 1.900,00 EUR bezieht, gepfändet. Der Drittschuldner, dem bekannt ist, dass der Schuldner gegenüber seiner Ehefrau und seiner Tochter unterhaltspflichtig ist, zahlt keine pfändbaren Beträge nach der Tabelle des § 850c ZPO. Der Gläubigerin ist jedoch bekannt, dass die 17-jährige Tochter im Ausbildungsverhältnis steht und eine monatliche Ausbildungsvergütung in Höhe von 1.000,00 Euro bezieht; sie weiß auch, dass die Ehefrau des Schuldners einer geringfügigen Beschäftigung mit einem Einkommen von 520,00 Euro nachgeht. Dies ändert zunächst allerdings nichts daran, dass der Arbeitgeber nichts auszahlen kann bzw. darf.

Erwirkt die Gläubigerin im Beispiel einen Beschluss wegen Nichtberücksichtigung der Ehefrau und der Tochter, so ist ein Betrag in Höhe von 348,40 Euro pfändbar, der der Gläubigerin zusteht, die den Beschluss zuerst beantragt hat, auch wenn andere Pfändungen vorrangig sind.  Denn der Beschluss gilt nur für die Gläubigerin, die den Beschluss nach § 850c Abs. 6 ZPO (in entsprechender Rangfolge) erwirkt hat.

Zeitpunkt der Antragstellung auf Nichtberücksichtigung

Der Antrag auf Nichtberücksichtigung einer unterhaltsberechtigten Person muss vom Gläubiger gestellt werden; eine automatische Zusammenrechnung – selbst wenn die Erkenntnisse z. B. aus der Vermögensauskunft offensichtlich sind – erfolgt nicht. Der Antrag auf Nichtberücksichtigung von Unterhaltsberechtigten mit eigenen Einkunftsquellen kann unmittelbar im Rahmen des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses erfolgen, sofern der Gläubiger über entsprechende Informationen verfügt. Der Vorteil liegt darin, dass der Schuldner dann gemäß § 834 ZPO nicht angehört wird; der entsprechende Passus befindet sich direkt im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss.

Der Antrag kann aber auch jederzeit nach Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses und damit isoliert gestellt werden, was dann allerdings dazu führen könnte, dass der Schuldner vor Erlass des Beschlusses angehört werden muss.

Hinweis:

Der Antrag auf Nichtberücksichtigung unterhaltsberechtigter Personen kann nach dem Wortlaut des § 850c Abs. 6 ZPO nur in den Fällen, in denen die unterhaltsberechtigte Person selbst über eigenes Einkommen verfügt, gestellt werden. Allerdings ist diese Vorschrift nach Rechtsprechung und herrschender Meinung in der Literatur auch (erfolgreich) anzuwenden, wenn der Schuldner sowohl unterhaltsverpflichtet als auch die unterhaltsberechtigte Person bedürftig ist, der Schuldner aber tatsächlich gar keinen (oder auch nur teilweisen) Unterhalt leistet. Das kann insbesondere auch bei der Pfändung aus Unterhaltstiteln relevant werden.

Beschaffung der relevanten Informationen

Aber: Woher kommen die entsprechenden Informationen? In der Regel sind Unterhaltsverpflichtungen und -leistungen aus einem vorliegenden Vermögensverzeichnis bekannt. Sie können aber auch auf Kenntnissen des Gläubigers über den Schuldner und sein Umfeld beruhen. Während der Nachweis gegenüber dem entscheidenden Gericht über den „Nichtberücksichtigungsantrag“ durch ein Vermögensverzeichnis relativ einfach zu erbringen ist, bedarf es ohne eigene Angaben des Schuldners entsprechender Glaubhaftmachungen, die gerade dann schwer zu erbringen sind, wenn es sich bei den Informationen um „Hörensagen“ handelt.

Empfehlung: Das Vermögensverzeichnis sollte dann nachträglich beantragt – oder, wenn es bereits auf Veranlassung eines anderen Gläubigers abgegeben wurde: angefordert – werden, um gesicherte Erkenntnisse zu gewinnen.

Tipp:

Es lohnt sich, auch bei zunächst unklaren Ergebnissen einen Antrag auf Nichtberücksichtigung zu stellen. Zum einen kann es bei unregelmäßigen (pfändbaren) Sonderzahlungen doch noch zu einer Auszahlung kommen, zum anderen kann eine zukünftige Gehaltsanpassung des Schuldners zu einer monatlichen Auszahlung führen.

Fazit

Wenn Zahlungen nach einer Lohnpfändung aufgrund bestehender Unterhaltsverpflichtungen und der daraus resultierenden höheren Pfändungsfreibeträge ausbleiben, sollte geprüft werden, ob unterhaltsberechtigte Personen über eigenes Einkommen verfügen. In solchen Fällen kann ein Antrag auf Nichtberücksichtigung dieser Personen die Pfändungschancen erhöhen und zu pfändbaren Beträgen führen – sei es durch regelmäßige Gehaltszahlungen oder durch Sonderzahlungen des Schuldners.

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Carmen Wolf ist gelernte Rechtsanwaltsfachangestellte mit Weiterbildung zur Rechtswirtin und zur Kanzleimanagerin. Bei der Koblenzer Rechtsanwaltskanzlei FROMM ist Sie als Büroleiterin sowie Ausbilderin für Rechtsanwaltsfachangestellte tätig und dementsprechend mit allen Bereichen der Kanzleipraxis betraut.

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